Daten ohne Schutz – Zuckerberg in Bedrängnis

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Facebook-Daten für den US-Wahlkampf ausgewertet

Im März dieses Jahres berichteten die New York Times und The Guardian, dass Donald Trumps Wahlkampfteam die Firma Cambridge Analytica beauftragt hatte, Facebook-Daten zu sammeln, um das Wahlverhalten der Nutzer vorherzusehen und zu beeinflussen.

Das Datenanalyse-Unternehmen wurde 2013 vom konservativen Hedge Fond Manager Robert Mercer und dem späteren Trump-Wahlkampfstrategen Steve Bannon als Tochter der britischen Firma Strategic Communications Laboratory gegründet.

Mehr als 50 Millionen Facebook Nutzer waren laut den ersten Berichten vom Datenklau betroffen. Manche von ihnen hatten die Informationen freiwillig preisgegeben, als sie an einem Persönlichkeits-Test auf Facebook teilnahmen. Neuro-Wissenschaftler Aleksandr Kogan von der britischen Cambridge University entwickelte für diesen Test die „thisisyourdigitallife“-App, sie muss extra zu Facebook hinzugefügt werden, und die Nutzer erlauben damit den Zugriff auf ihre Daten.

„Psychologische Kriegsführung“ per App

Die App ermöglichte es Kogan jedoch, nicht nur die Daten von denjenigen abzugreifen, die den Test mitmachten, sondern auch die von deren Facebook-Freunden. Seinen Schatz verkaufte Kogan – und dabei brach er die Regeln von Facebook – an Cambridge Analytica.

Whistleblower Christopher Wylie (imago stock&people/Ben Stevens)

All das flog auf, weil Cambridge Analytica Mitbegründer Christopher Wylie nicht mehr, wie er sagte, zum „Werkzeug der psychologischen Kriegsführung“ beitragen wollte. Wylie berichtete allen großen US-Medien von dem Vorgehen der Firma:

„Wir investierten über eine Million Dollar. Das war also nicht billig, aber akzeptabel für die Menge an Daten. Wir bekamen die Informationen ungewöhnlich schnell, relativ billig, und sie waren von hoher Qualität. Wer die US-Wahlen beeinflussen will, kriegt da alles, was er braucht, aus einer Hand.“

Enormer Vertrauensbruch für zwei Milliarden Nutzer

Das war ein enormer Vertrauensbruch für die über zwei Milliarden Nutzer von Facebook und die Investoren. Der Aktienwert des Unternehmens fiel innerhalb weniger Tage um 18 Prozent und reduzierte damit dessen Marktwert um etwa 80 Milliarden Dollar. Der Hashtag #deletefacebook – „lösch Facebook“ – verbreitete sich. Obwohl laut einer Reuters-Umfrage nur rund vier Prozent der Nutzer sich tatsächlich von der Plattform verabschiedeten, wuchs der Druck auf Konzerngründer Mark Zuckerberg.

Er hatte schon 2011 im Streit mit dem Kartellamt besseren Datenschutz versprochen. Kritiker warfen ihm vor, dass er erstens das Versprechen nicht eingehalten hatte und zweitens nicht genug gegen den Facebook-Datenklau durch Cambridge Analytica und andere App-Entwickler tat. Und was tat Zuckerberg, um den Schaden zu kontrollieren? Er schwieg zunächst. Aber als der Druck auf seinen Unternehmen weiter wuchs, trat er eine Entschuldigungstour durch US-Medien an:

„Das war ein großer Vertrauensbruch, und es tut mir leid, dass es passiert ist. Wir haben die Verantwortung, die Daten der Menschen zu schützen. Wenn uns das nicht gelingt, verdienen wir es nicht, den Menschen zu dienen. Jetzt müssen wir müssen dafür sorgen, dass sich so was nicht wiederholt.“

Zuckerberg sieht sich Klageflut gegenüber

Zuckerberg versprach, von nun an mehr in Datenschutz zu investieren und zusätzliche Regulierungen zu entwickeln. Dafür bat er in einem Vox-Interview um Zeit:

„Es wird ein paar Jahre dauern, wenn es darum geht, die Probleme zu lösen und aus diesem Tief heraus zu kommen, denn wir haben in diesem Bereich bisher nicht genug investiert. Ich wünschte, ich könnte es in drei, sechs Monaten lösen, aber Fakt ist: Es wird eine Weile dauern.“

Das Bild zeigt den Vorstandschef von Facebook, Mark Zuckerberg, hier im Juni 2017 in Chicago. (dpa-Bildfunk / AP / Nam Y. Huh)

Derzeit wollen wenige Zuckerberg diese Zeit geben. Die US Kartellbehörde prüft, ob der Facebook-Chef ein Abkommen von 2011 gebrochen hat, in dem er versicherte, Daten nicht ohne Zustimmung der Nutzer weiter zu geben. Wäre das der Fall, droht dem Unternehmen eine Strafe von 40.000 Dollar für jede Verletzung der Auflage. Das kann bei 87 Millionen betroffenen Konten teuer werden.

Mehrere Dutzend Klagen wurden inzwischen gegen das Unternehmen eingereicht – von Privatpersonen, Bürgerrechts-Organisationen und Investment-Gruppen. Der Ruf nach neuer Führung an der Facebook-Spitze wird lauter. Mark Zuckerberg besitzt nicht nur fast 60 Prozent der stimmberechtigten Aktien. Er ist als Vorstandsvorsitzender und Geschäftsführer auch unkündbar.

Städte und Kommunen in Facebook-Aktien investiert

Scott Stringer hat als Rechnungsprüfer der Stadt New York aus der Pensionskasse der Stadt eine Milliarde Dollar in Facebook-Aktien investiert. Er fordert in einem CNBC-Interview eine neue Unternehmensführung:

„Ich vertrete Feuerwehrmänner, Lehrer und Polizisten. Wir glauben, wir brauchen mehr unabhängige Kontrolle, einen unabhängigen Vorstandsvorsitzenden und Direktoren, die sich mit Daten und Ethik auskennen. Dieser Skandal zeigt: Einnahmen sind in Gefahr, die Regulierungen, die Marke und vielleicht am wichtigsten: Unsere Demokratie ist bedroht.“

Selbst in Silicon Valley ist das einstige Wunderkind unter Beschuss. Apple-Chef Tim Cook sagt auf die Frage, was er an Zuckerbergs Stelle tun würde, nur, dass ihm so etwas nie passieren würde.

Umfang des Daten-Skandals größer als angenommen

Anfang April muss Facebook zugeben, dass möglicherweise deutlich mehr Nutzer vom Cambridge Analytica Skandal betroffen sind als bisher angenommen, nämlich 87 Millionen. Diesmal stellt sich Zuckerberg den Reportern sofort. Er rechtfertigt wie schon häufig zuvor mit der idealistischen Facebook-Philosophie:

„Als wir angefangen haben, dachten wir nur daran, wie toll es wäre, Menschen zu verbinden, allen eine Stimme zu geben. Wir haben vermutlich nicht genug über die negativen Nutzungsmöglichkeiten nachgedacht.“

Facebook-Illustration auf dem Tablet im Schoß eines Nutzers. Viele werden dem Netzwerk wohl treu bleiben (picture alliance / dpa / Josef Horazny)

Dieses Argument dürfte angesichts des Umfangs der Vorwürfe nur noch echte Fans zufriedenstellen. Trotzdem glauben Experten nicht, dass die meisten Nutzer nun dem Sozialen Netzwerk den Rücken kehren. Gestützt wird diese Ansicht durch eine Infratest Dimap-Umfrage. Obwohl eine Mehrheit der befragten erwachsenen Internetnutzer Facebook und seiner Datenpolitik zutiefst misstraut, ergibt sich daraus kaum eine Veränderung im Online-Verhalten der Bürger, wie die ARD-Journalistin Ellen Ehni bei der Präsentation der Daten berichtete:

„Nur zwölf Prozent sagen, ich bin jetzt weniger auf Facebook unterwegs, und nur zwei Prozent haben tatsächlich ihr Profil gelöscht, sind also nicht mehr Facebook-Kunde und haben die Delete-Facebook-Aktion mitgemacht.“

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